Fragwürdige Aktienwerbung Warum die Aufsicht Pennystock-Pusher gewähren lässt

Vorsicht bei Pennystocks: Oft ist das nur Katzengold im Depot. Quelle: imago images

Marktschreier jubeln wieder einmal hochspekulative Aktien hoch, die sie selbst im Depot haben. Verboten ist das nicht – solange einige Bedingungen erfüllt sind.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Es gibt Unternehmen, in die Anleger große Hoffnungen setzen. Und es gibt Clear Sky Lithium. „Mehrere tausend Prozent“ Plus seien mit der Aktie des kanadischen Lithium-Explorers denkbar, heißt es auf der Homepage bullvestorbb.com. Noch nimmt das Unternehmen zwar nur Bodenproben. Die aber haben Potenzial, glaubt man einem eingebetteten Zitat des Clear-Sky-Vorstandschefs: Die ersten Ergebnisse seien Grundlage für eine Studie, deren Ergebnisse „zur weiteren Charakterisierung und Verfeinerung“ eines „metallurgischen Plans“ verwendet werden und „einen integralen Bestandteil“ des „fortlaufenden Toolbox-Ansatzes“ bilden. Donnerwetter.

Bei Bullvestor scheint man von diesen Aussichten begeistert. Seit Ende September erscheinen dort jedenfalls Tag für Tag euphorische Artikel zur Aktie der Kanadier, die auch auf Anlegerhomepages wie wallstreet-online.de laufen. Die Clear-Sky-Aktie sei ein „Strong Buy“, heißt es. Sie „zündet jetzt den Turbo“, habe „ganz deutlich den Rallyemodus eingelegt“. „IST DIESE AKTIE GENETISCH ZUM KURSGEWINN ‚VERDAMMT‘?“ schreit Bullvestor dem Leser entgegen.

Das Chartbild gibt darauf keine Hinweise. Der Aktienkurs von Clear Sky Lithium machte zwar nach dem Börsengang im Juli einen Sprung nach oben, sackte danach aber ab und stand zuletzt bei 47 Cent. Wobei: Seit Ende September zeigt die Tendenz wieder leicht aufwärts – also seit Bullvestor die Aktie bejubelt. Zufall?

Weil Rohstoffe begehrt und Minenaktien gut gelaufen sind, werden Anleger mit Werbung für Schrottaktien aus der Branche bombardiert. Ein Ausflug in die Welt der todsicheren Tausend-Prozent-Chancen.
von Julia Groth

Der neue Aufwärtstrend dürfe zumindest ganz im Sinne von Bullvestor-Betreiber Helmut Pollinger sein. Der hält nämlich laut einem Hinweis auf seiner Homepage Aktien der Unternehmen, die er bespricht. Weil er zudem ein „Beratungsmandat“ eingegangen sei, handele es sich bei seinen Artikeln nicht um Finanzanalysen, sondern um „eine Veröffentlichung eines ganz deutlich und eindeutig werblichen Charakters im Auftrag der besprochenen Unternehmen“. Also nicht um Kauftipps. Trotz „Strong Buy“.

Wer verdient an der Kursrally?

Unüblich sind solche Arrangements nicht. Für unerfahrene Anleger, die die Zusammenhänge nicht durchschauen und Werbung mit unabhängigen Analysen verwechseln, können sie aber gefährlich sein. Die Marktschreier werden oft in Aktien oder Aktienoptionen entlohnt und haben deshalb ein Interesse daran, dass ihre Werbeaussendungen verfangen und der Aktienkurs der besprochenen Unternehmen steigt. Kleinanleger dagegen profitieren selten. Denn so rasch der Kurs steigen kann, so rasch kann er auch wieder fallen, wenn Altaktionäre ihre Anteilsscheine auf den Markt werfen.

Pollinger ist bei weitem nicht der einzige Pennystock-Pusher, wenn auch einer der lautesten – und schon besonders lange im Geschäft. Auf E-Mails der WirtschaftsWoche antwortet er nicht, telefonisch ist er nicht erreichbar. Pollinger trommelte mit Bullvestor bereits 2006 für die Aktien von De Beira Goldfields

von Philipp Frohn, Martin Gerth, Heike Schwerdtfeger

Der Kurs des Gold-Explorationsunternehmens legte damals binnen weniger Wochen um mehr als 1000 Prozent zu und stürzte dann ab, die Aufsicht ermittelte wegen Marktmanipulation. Pollinger behauptete derweil, die Aktie sei von Shortsellern heruntergeprügelt worden. Letztlich wurde ein Journalist verurteilt, der De Beira im Magazin „Focus“ lobend besprochen und zugleich in seinem eigenen Börsenbrief zum Kauf empfohlen hatte.

Dass es Pollingers Publikationen Bullvestor und Inult schon so lange gibt, zeigt: Der Österreicher bewegt sich in einer Grauzone, und er stellt sich dabei geschickter an als die meisten. Es ist nämlich nicht verboten, Pennystocks hochzujubeln und sie gleichzeitig mit Verkaufsabsicht zu halten. Man muss diesen Interessenskonflikt bloß kenntlich machen. Und zwar: ordnungsgemäß und wirksam. Ob diese Bedingungen erfüllt sind, hängt unter anderem davon ab, ob der Disclaimer leicht zu finden und gut lesbar ist.

Raub mit Ansage bleibt Raub

Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, hält diese Regel für zu lax. „Wenn ich an meine Tür ein Schild hänge, auf dem steht: Wenn Sie reinkommen, beraube ich Sie, dann wäre es immer noch nicht rechtens, Sie zu berauben“, sagt er. Zivilrechtlich schütze ein Disclaimer den Verfasser. Aufsichts- und strafrechtlich könne trotzdem Marktmanipulation vorliegen.

Von der Finanzmarktaufsicht BaFin heißt es: Bestehe der Verdacht auf einen Straftatbestand, bringe man den Sachverhalt bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Anzeige. Das Gesetz lässt allerdings einen gewissen Spielraum. Marktmanipulation kann etwa dann vorliegen, wenn Aussagen zu Unternehmen bewusst irreführend oder falsch sind.

Frauenförderung à la Siemens Siemens-Managerin klagt an: Nutzt der Konzern Compliance als „Mitarbeiter-Entsorgungstool“?

Der Fall einer Siemens-Managerin, die schwanger wurde und nun um ihren Job kämpfen muss, erschüttert den Dax-Konzern. Nun droht der mit ihr verheiratete Personalchef in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Erbschaft Wie Eltern Schenkungen an Kinder später beim Erbe ausgleichen können

Oft schenken Eltern Teile ihres Vermögens vorab an einzelne Kinder. Die übrigen Kinder erhalten später beim Erbe einen finanziellen Ausgleich. Welche Regeln dabei gelten.

Altersvorsorge Drohender Renten-Schock: Die hochriskanten Investments der Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke erwirtschaften Renten für Ärzte, Anwälte und Mediziner. Doch sie haben Geld überaus riskant angelegt – mit potenziell dramatischen Folgen.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Nur: Wer kann schon sagen, ob ein kanadisches Explorationsunternehmen nicht tatsächlich einen Treffer landen, der Aktienkurs durch die Decke gehen kann? Die Chancen stehen zwar schlecht, betragen aber nicht null. Für Anleger gilt deshalb: auf das Kleingedruckte achten. Und hellhörig werden, wenn eine Aktie 1000 Prozent oder mehr bringen soll.

Lesen Sie auch: Worauf Anleger bei Mineninvestments achten sollten

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%