Das Wörtchen „woll“ :
Bestätigungserheischung bestätigt

Andreas Rossmann
Ein Kommentar von Andreas Rossmann
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Schön ist es hier, woll? Löwenzahnwiese bei Wenden im Sauerland
Keine ganze Themenwoche widmet ein Radiosender aus dem Sauerland dem Bemühen, das dort gebräuchliche Wort „woll“ in den Duden zu bekommen. Dabei ist es längst auf dem Parnass der Sprachkultur angekommen.

„Da biste platt, woll?!“, sagt der Sauerländer, und das lässt sich in diesem Fall auch sehr gut nachempfinden. Denn das Wörtchen „woll“, mit dem der Sauerländer gerne einen guten Satz zu Ende bringt, soll in den Duden. Dafür macht sich Radio MK in Iserlohn, dem „Tor zum Sauerland“, in einer Themenwoche stark: „Wir von Radio MK und unsere Hörer sind stolz auf unsere Heimat und unseren Dialekt. Darum wollen wir ,woll‘ den Platz verschaffen, der ihm zusteht“, teilt der Sender mit und sammelt Unterschriften, die er an die Duden-Redaktion weiterleitet. Dabei geht es um nicht weniger als um eine landsmannschaftliche Gleichstellung, denn was im Süden „gell“ und im Norden „nech“ ist, lautet im Sauerland „woll“, nur dass „woll“, anders als „gell“, eben (noch!) nicht im Duden steht.

Was es mit „woll“ so alles auf sich hat, das kann sehr schön Dr. Werner Beckmann erklären, der in Cobbenrode, einem Ortsteil von Eslohe, das in einem Bilderbuch-Fachwerkhaus beheimatete „Mundartarchiv Sauerland“ hütet: Eine „Formel der Bestätigungserheischung“ sei das, mit deren Gebrauch der Sauerländer überall in der Fremde auffalle. Ob das denn nicht ungewöhnlich sei für den Sauerländer, der - auch so ein Klischee - als dickschädelig, trinkfest und traditionsbewusst gilt, dass er mit „woll“ in den Duden wolle, wollen wir von Dr. Beckmann wissen: Aber nein, findet der, das sei keineswegs spezifisch sauerländisch, die Menschen hätten einfach das Bedürfnis, sich mit ihrer Sprache zu identifizieren. Was übrigens, sagt Dr. Beckmann, mit „woll“ bis tief ins Ruhrgebiet hinein möglich sei, denn auch in Dortmund werde noch „woll“ gesagt, und erst hinter Bochum-Langendreer verlaufe die Grenze zum „ne“.

Auch in die Literatur hat „woll“ längst Eingang gefunden, wie uns ein kluger und sehr belesener Kopf verrät, der, geboren in Meinerzhagen, Abitur in Lüdenscheid, verheiratet mit einer Dortmunderin, bekennender Sauerländer ist. Dass er auf den „Tell“, wenn auch nicht von, sondern nur nach Schiller verweist, ist insofern keine Überraschung, als er in Marbach am Neckar das Deutsche Literaturarchiv leitet: „Der Pfeil traf tödlich --- einen Wurm, der in dem Apfel wohnte. Erst war es still, dann brach ein Sturm des Jubels los, der’n Schützen lohnte! Man rief: ,Ein Hoch dir, Willi Tell! Jetzt gehn wir einen trinken, gell?‘“, reimt Heinz Erhardt in seinem Gedicht „Der Apfelschuss“, das den Schluss auch in einer „westfälischen Fassung“, eigentlich einer „sauerländischen“, korrigiert Dr. Beckmann, anbietet: „Man rief: ,Der Tell, der schießt ja toll! Jetzt gehn wir einen trinken, woll?‘“ Unser Gewährsmann, der Sauerländer auf der Schillerhöhe, kommentiert es stolz: „Danach erübrigt sich der Duden. Wir sind schon auf dem Parnass, woll?!“