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Hinrichtungen in der Ukraine Human Rights Watch veröffentlicht Beweise für mutmaßliche Kriegsverbrechen

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat zahlreiche Vergehen russischer Soldaten in der Ukraine dokumentiert, darunter Mord und Vergewaltigung. Betroffene schildern in ihren Berichten grausame Gewalt.
Ein ukrainischer Soldat streift durch das befreite Butscha

Ein ukrainischer Soldat streift durch das befreite Butscha

Foto: Mykhaylo Palinchak / ZUMA Wire / IMAGO

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat zahlreiche Beweise für massive Kriegsverbrechen russischer Soldaten in der Ukraine zusammengetragen. In dem am Sonntag veröffentlichten Bericht  schildert die Organisation Fälle von Vergewaltigungen, zwei Hinrichtungen und mehreren weiteren Übergriffen und Plünderungen durch Kremltruppen. In allen Fällen haben die Menschenrechtsaktivisten Zeuginnen und Zeugen vor Ort und telefonisch interviewen können.

Was dokumentiert wurde, »ergibt eine unaussprechliche, absichtliche Gewalt und Brutalität gegen ukrainische Zivilisten«, sagt Hugh Williamson, Europa-Leiter bei Human Rights Watch. »Vergewaltigungen, Mord und andere gewaltvolle Angriffe gegen Menschen in den Händen russischer Truppen sollten als Kriegsverbrechen untersucht werden.«

Konkret untersuchte die Organisation Fälle in den Regionen Tschernihiw, Charkiw und dem Kiewer Umland in den ersten beiden Wochen kurz nach Beginn der russischen Invasion. Unter den Verbrechen ist auch ein Fall aus dem zurückeroberten Butscha nördlich von Kiew. Ukrainische Truppen hatten die Stadt am Samstag befreit, vor Ort fanden sie Dutzende Tote auf den Straßen liegend. Unter ihnen waren viele Zivilisten.

Human Rights Watch schildert die Aussage einer Frau, die Zeugin wurde, wie russische Truppen in Butscha einen Mann hinrichteten. Gemeinsam mit vier weiteren Personen habe er sich niederknien müssen. Ihm sei dann in den Hinterkopf geschossen worden.

Zeugenbericht: Aus dem Haus geholt und erschossen

Weitere Fälle, die die Menschenrechtsorganisation schildert:

  • In Staryi Bykiv, einem Dorf nahe Tschernihiw, sollen russische Soldaten sechs Männer auf der Straße zusammengetrieben und hingerichtet haben. Den Vorgang bezeugt die Mutter eines der Ermordeten. »Sie gingen raus in den Rauch«, sagte sie, als die Soldaten ihren Sohn wegholten. Ihr habe man gesagt, sie solle sich nicht sorgen, man würde den Männern nur ein wenig Angst einjagen. »Wir liefen etwa 50 Meter hinterher …, dann hörten wir die Schüsse.« Alle sechs Männer seien gefesselt gewesen und hätten Einschusslöcher in ihren Köpfen gehabt.

  • Eine 31-Jährige aus der Region Charkiw berichtet, sie sei in einer Schule im Örtchen Mala Rohan mehrfach von einem russischen Soldaten vergewaltigt worden. In dem Gebäude hatte sie mit mehreren geflüchteten Familien Unterschlupf gefunden. Der Soldat habe ihr mit einem Messer Verletzungen in Gesicht und Nacken zugefügt. Er habe sie unter anderem zum Oralsex gezwungen, schildert die 31-Jährige. »Die ganze Zeit hielt er dabei eine Pistole an meine Schläfe. Zweimal schoss er in die Decke und sagte, das sei, um mich mehr zu ›motivieren‹.«

  • Im Kiewer Vorort Worsel sollen Kremltruppen eine Nebelgranate in ein Haus geworfen haben. Als eine Mutter und ihr 14-jähriger Sohn aus dem Gebäude fliehen, eröffneten die Soldaten nach Angaben eines dritten Überlebenden das Feuer auf beide. Der Junge sei sofort tot gewesen, die Mutter erlag demnach zwei Tage später ihren Verletzungen.

Menschenrechtsaktivist Williamson sieht Russland in der Verantwortung für die Verbrechen. Das Land habe eine international bindende Verantwortung, die mutmaßlichen Verbrechen seiner Soldaten zu untersuchen. »Die Kommandeure sollten wissen, dass Nichthandeln im Angesicht von Vergewaltigung und Mord sie persönlich verantwortlich macht für Kriegsverbrechen.«

mrc