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Christen und ihre Religion Immer weniger Deutsche glauben an Gott

Gott wird nicht mehr gebraucht in Deutschland, immer mehr Menschen haben jedoch einen ausgeprägten Hang zum Wunderglauben. Das geht aus einer neuen SPIEGEL-Umfrage hervor.
Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt

Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt

Foto: Guido Kirchner / DPA

Nur 55 Prozent der Deutschen glauben heute noch an "einen Gott". 2005, als dieselbe Frage gestellt wurde, lag der Anteil noch bei 66 Prozent. Das hat eine repräsentative Umfrage ergeben, die der SPIEGEL beim Institut Kantar Public in Auftrag gegeben hat. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte bei SPIEGEL+ .)

Besonders auffallend ist: Auch unter denen, die sich als Christen verstehen, geht die Gläubigkeit stark zurück.

Glaubten 2005 noch 85 Prozent der Katholiken an Gott, sind es der Umfrage zufolge jetzt 75 Prozent. Unter den Protestanten fiel der Wert noch stärker, von 79 auf 67 Prozent. Mehrere Millionen Menschen, die einer der großen christlichen Konfessionen im Land mit zusammen fast 45 Millionen Kirchenmitgliedern angehören, zeigen damit eine erhebliche innere Distanz zu ihrer Religion.

Gleichzeitig sind 66 Prozent der Befragten überzeugt, dass es Wunder auf der Welt gibt (eine Vergleichszahl aus dem Jahr 2005 liegt nicht vor). In diesem Punkt zeigt sich eine besonders große Diskrepanz zwischen Frauen, die zu drei Vierteln an Wunder glauben, und den anscheinend rationaleren Männern, deren Anteil bei 57 Prozent liegt.

Auffallend ist außerdem, dass die weitgehend gottlosen Ostdeutschen fast genauso viel Zustimmung äußern, wenn nach der Möglichkeit von Wundern gefragt wird, wie ihre Landsleute im Westen; die Zahlen liegen bei 62 Prozent im Osten und 67 Prozent in der alten Bundesrepublik. An die Existenz von Engeln glauben in Ostdeutschland mehr Menschen (36 Prozent) als an Gott (26 Prozent).

Der Münchner Jesuitenpater, Arzt und Psychoanalytiker Eckhard Frick sieht sich dadurch in seiner Auffassung bestätigt, dass der Niedergang des Christlichen nicht in erster Linie als Folge der Säkularisierung verstanden werden dürfe, der Verweltlichung des Lebens in einer von Wissenschaft und Technik geprägten Zeit.

Christen und ihre Religion: Sehen Sie hier die Ergebnisse der SPIEGEL-Umfrage

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Christen und ihre Religion: Gott wird nicht mehr gebraucht

Foto: KANTAR PUBLIC

"Das spirituelle Interesse ist eher größer geworden", sagt der Katholik, der als Professor für Anthropologische Psychologie an der Hochschule für Philosophie des Jesuitenordens in der bayerischen Landeshauptstadt unterrichtet. Das kirchliche Angebot in Deutschland findet Frick "oft zu beamtenhaft und pädagogisierend".

Auch die weiteren Ergebnisse der vom SPIEGEL beauftragten Meinungsforscher zeigen, wie weit sich ein großer Teil der Kirchenmitglieder vom heißen Kern des Christentums entfernt hat. Auf ein Leben nach dem Tod, das aufrechten Gläubigen im Neuen Testament versprochen wird, hofft lediglich bei den Katholiken eine Mehrheit, die mit 53 Prozent bereits knapp geworden ist. 2005 waren es noch 65 Prozent.

Besonders skeptisch unter allen Befragten zeigt sich in dieser Frage die Altersgruppe, die dem Tod am nächsten ist: Nur 29 Prozent derer, die 65 Jahre und älter sind, erwarten ein Leben danach. Unter allen Jüngeren liegt der Anteil deutlich über 40 Prozent.

An die in der Bibel berichtete Auferstehung von Jesus Christus nach der Kreuzigung, auf die das Christentum sich gründet und die zu Ostern kirchlich gefeiert wird, glauben nur 58 Prozent der Protestanten und 61 Prozent der Katholiken.

Für den Münchner Jesuiten und Hochschullehrer Frick spiegelt sich in den Zahlen ein gesellschaftlicher Trend, er sagt: "Mit der Auferstehung der Toten, wie sie im christlichen Glaubensbekenntnis steht, können viele Menschen nichts mehr anfangen." Spreche man aber "über Wiedergeburt und Seelenwanderung, bekommen auch viele Christen leuchtende Augen".


1003 Befragte vom 12. bis 14. März 2019.