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Werders Torhüter im WESER-KURIER-Interview Pavlenka: „Ich hatte hier noch nie so einen Start“

Jiri Pavlenla ist beim telefonischen Interview mit dem WESER-KURIER sehr gut gelaunt. Ein Gespräch über Werders Situation, Heimweh in Corona-Zeiten, seinen Rat an Rashica und das Fehlen von Typen wie Pizarro.
30.10.2020, 15:26 Uhr
Lesedauer: 6 Min
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Pavlenka: „Ich hatte hier noch nie so einen Start“
Von Jean-Julien Beer

Herr Pavlenka, wir führen dieses Interview auf Deutsch. Sind Sie also richtig angekommen in Deutschland und in Bremen, gibt es keine Probleme mehr mit der Sprache?

Jiri Pavlenka: Am liebsten würde ich sagen, dass ich gar keine Probleme mehr mit der Sprache habe, aber mein Deutsch ist noch nicht perfekt. Aber ich verstehe alles und lerne die Sprache auch im Alltag, wenn ich beispielsweise mit meinem Sohn beim Arzt bin. Ich probiere das immer weiter, wie auch jetzt bei diesem Interview.

Nicht ganz perfekt, aber erfolgreich war auch Werders Saisonstart. Was freut Sie als Torhüter mehr: Die acht Punkte in der Tabelle, oder dass es zuletzt maximal ein Gegentor für Werder gab?

Ich bin ein Teamspieler. Deshalb freut es mich, dass wir schon acht Punkte haben. Das ist ein Superstart für uns, mehr aber noch nicht. Die Saison dauert noch sehr lange.

Was wäre Ihnen als Torwart denn lieber: Dass die Mannschaft defensiv weiter gut steht, oder dass Werder vorne mehr Tore schießt, damit nicht jeder Gegentreffer gleich entscheidend ist?

Auch wenn ich Torhüter bin – am liebsten habe ich nach einem Spiel drei Punkte. Manchmal ist es egal, wie du diese Punkte holst, wichtiger ist, dass du sie hast. Aber es stimmt schon, wir haben zuletzt weniger Tore kassiert. Unsere Defensive ist stärker als in der vergangenen Saison, das freut mich natürlich.

Haben Sie zuletzt die Spiele der Champions League gesehen, Ajax mit dem Ex-Bremer Davy Klaassen gegen Liverpool und Bergamo?

Ja, ich habe die Spiele gesehen, und ihn auch.

Wir fragen, weil auch Sie ursprünglich in diesem Sommer zu einem größeren Klub wechseln sollten, diesen Plan gab es vor der Corona-Krise. Wie enttäuscht sind Sie, dass es nicht geklappt hat?

Diese Thematik haben wir jeden Sommer, seit ich in Bremen bin. Ganz ehrlich sage ich aber: Ich weiß doch auch, dass ich mit Werder keine Super-Top-Saison gespielt habe. Wir hatten viele Probleme. Deshalb bin ich glücklich, dass wir mit Werder weiter in der Bundesliga spielen. Jetzt konzentriere ich mich nur auf diese Saison, was danach kommt, kann niemand sagen.

Haben Sie noch die Idee im Kopf, mit einem anderen Verein international zu spielen?

Ich bin in Bremen sehr zufrieden, meine Familie auch. Warum sollte ich nicht mal mit Werder international spielen? Wir dürfen auch an der Europa League oder der Champions League teilnehmen. Natürlich nicht jetzt, das ist klar. Aber vielleicht später. Dieser Verein hat eine so große Tradition und war sehr erfolgreich, Werder hat viele Jahre in der Champions League gespielt. Ich glaube daran, dass diese Zeit wieder kommen kann.

Ihr Vertrag in Bremen läuft noch bis 2022. Es klingt so, als könnten Sie sich eine Verlängerung vorstellen…

Vielleicht, ja. Aber lassen wir das mal auf uns zukommen. Mein Vertrag gilt noch für zwei Saisons, das ist eine lange Zeit im Fußball.

Bei Davy Klaassen kam hinzu, dass er nach Hause wollte. Haben Sie in dieser Corona-Krise auch manchmal das Gefühl: Ich will nach Hause, nach Tschechien?

Natürlich hatte ich auch dieses Gefühl, vor allem im März, als sich die Pandemie verschärfte. Da wollte ich gerne bei meiner Familie in Tschechien sein. Aber das war nicht möglich und wir haben uns auch bewusst gemacht, dass es uns in Bremen gut geht. Es ist nur schade, dass uns niemand aus Tschechien hier in Deutschland besuchen kann.

Ihr Torhüterkollege Stefanos Kapino wollte gerne die Nummer 1 werden und deshalb den Verein wechseln. Auch das hat nicht funktioniert. Können Sie ihn verstehen und wie gehen Sie beide jetzt mit der Situation um?

Ich verstehe ihn total. Jeder Torhüter würde gerne die Nummer 1 sein, und jeder Fußballer will spielen. Jetzt ist er noch hier, und wir arbeiten ganz normal zusammen, so wie vorher.

Normalerweise haben Sie als Torhüter sehr viel Kontakt zu den Fans, die Zuschauer im Stadion stehen mit allen Emotionen direkt hinter Ihnen. Bei den Geisterspielen sind Sie nun ziemlich alleine in Ihrem Tor, auch weit weg von der Trainerbank. Hilft das bei der Konzentration? Oder stört diese Ruhe?

Auf die Konzentration hat es keinen Einfluss, aber es stört mich. Wir spielen Fußball für die Fans. Es ist für alle nicht gut, wenn keine Zuschauer im Stadion sein können. Aber wir sind alle glücklich, dass wir in diesen Zeiten überhaupt Fußball spielen dürfen und die Fans Werder wenigstens im Fernsehen schauen können.

Werder hat sich in der Tabelle bereits einen schönen Vorsprung auf die Abstiegsränge erarbeitet. Ist es realistisch, dass sich die Mannschaft in diesen sicheren Regionen halten kann, irgendwo zwischen Platz sieben und 14?

Auch wenn uns ein guter Start geglückt ist, wäre es wohl zu früh, über einen Platz am Saisonende zu spekulieren. Aber ich muss sagen: Ich bin nun das vierte Jahr hier in Bremen und hatte noch nie so einen Saisonstart. Wir müssen so weitermachen, schon jetzt in Frankfurt.

Nun fehlt Werder aber Niclas Füllkrug, der beste Torschütze. Wie hart ist das?

Niclas war in den letzten Spielen wirklich ein wichtiger Spieler für uns. Aber wir haben auch andere Spieler mit Potenzial, die jetzt helfen können. Josh Sargent kann das im Sturm machen. Aber es ist schon unglücklich, dass auch Davie Selke ausgerechnet jetzt ausfällt.

Sie sind einer der erfahrenen Spieler bei Werder. Reden Sie in diesen Tagen mit Milot Rashica, der sehr enttäuscht war, dass der Wechsel nach Leverkusen nicht geklappt hat?

Erst einmal kann ich verstehen, dass Milot unzufrieden darüber war, dass er jetzt nicht den nächsten Schritt in seiner Karriere machen konnte. Aber er ist immer noch jung. Zuletzt war er wegen seiner Verletzung nicht fit. Ich bin davon überzeugt, dass Milot wieder zeigen wird, wie wichtig er für Werder sein kann. Und dann kann er auch den nächsten Schritt machen.

Es gibt auch eine sehr positive Personalie bei Werder: Der junge Manuel Mbom wurde zum Stammspieler. Sie kennen Ihn schon länger: Waren Sie überrascht, wie stark er nach einem Jahr in der dritten Liga aus Uerdingen zurück kam?

Manu hat wirklich gut gespielt. Er ist ein ehrlicher Arbeiter auf dem Feld und gibt immer 100 Prozent. Dieses eine Jahr in der 3. Liga hat ihm in seiner Entwicklung sehr geholfen, das hat bei ihm super geklappt. Es ist gut für Werder, dass wir solche jungen Spieler mit großem Potenzial haben.

Reden wir über Werders Abwehr: Ihre Vorderleute dort waren zuletzt immer wieder andere, als Torwart spielen Sie aber trotzdem eine gute Saison. Ist es für Ihr Spiel nicht wichtig, wer in der Abwehr steht?

Es ist für mich schon wichtig, wer spielt. Aber unsere Innenverteidiger haben gerade alle eine gute Form. Niklas Moisander, der gegen Hoffenheim wieder spielte, ist für uns wirklich ein wichtiger Mann, in der Kabine, aber auch auf dem Platz. Marco Friedl hat großes Potenzial, Milos Veljkovic auch. Ömer Toprak ist ein super Spieler. Für uns ist es gut, dass wir vier Top-Innenverteidiger haben. Für unseren Trainer ist das natürlich schwieriger.

Die vergangene Saison war von Werder sehr schlecht, Sie persönlich haben aber schon im Mai und im Juni einige sehr gute Spiele gemacht. Hat Ihnen das den Auftrieb gegeben, trotz des Fast-Abstiegs direkt mit so viel Selbstbewusstsein in die neue Saison zu gehen?

Es war vor allem der Klassenerhalt, der mir ein positives Gefühl gegeben hat. Ich war sehr glücklich, danach drei Wochen frei zu haben. So konnte ich den Kopf frei bekommen. Das war gut und auch nötig. Ich bin einfach sehr froh, dass wir weiter in der Bundesliga dabei sind, dazu noch der Start mit acht Punkten. Aber wir müssen demütig sein und weiter so hart arbeiten.

Demütig? Das Wort ist jetzt aber schon Deutsch für Fortgeschrittene. Das hat Ihnen bestimmt der Trainer beigebracht.

Das weiß ich nicht mehr. Aber ich denke, dieses Wort ist im Fußball sehr wichtig. Man muss demütig sein. Denn wenn du es nicht bist, dann kann schnell wieder eine schlechte Phase kommen. Es ist wichtig, dass alle immer auf dem Boden bleiben und die Dinge Schritt für Schritt angehen. Das ist für mich demütig.

Es gibt eine neue Hierarchie in Werders Kabine, viele ältere Spieler sind weg. Auch Claudio Pizarro, der immer sehr präsent war. Wie sehr fehlt ein Typ wie Pizarro der Mannschaft im Alltag?

Claudio war natürlich ein großartiger Typ in der Kabine, ein richtiger Profi. Aber es gab da nicht nur ihn, wir hatten auch Bargfrede, Langkamp, Bartels und Sahin. Spieler mit großer Erfahrung. Aber natürlich war und ist Claudio Pizarro eine Persönlichkeit, vor allem war er in jedem Moment Profi. Es war gut für viele Spieler, so etwas jeden Tag zu sehen und zu erleben, wie professionell er mit 41 Jahren noch gearbeitet hat.

Im November stehen wieder Länderspiele an, das ist auch für Sie als Torhüter Tschechiens kompliziert wegen Corona. Wäre es Ihnen lieber, wenn Sie in Bremen bleiben könnten und nicht reisen müssten?

Das ist eine sehr schwierige Frage, auch für mich selbst. Jeder Spieler will für seine Nationalmannschaft spielen, wenn er die Möglichkeit dazu hat. Aber mit diesem Virus ist das in der jetzigen Zeit nicht einfach. Auch ich will für Tschechien spielen, aber wenn das Risiko zu groß ist, bleibe ich vielleicht in Bremen.

Haben Sie vor dem Spiel an diesem Sonnabend in Frankfurt schon mal ausgerechnet, welchen Tabellenplatz Werder mit einem Sieg erreichen könnte?

Ich will das lieber noch nicht machen. Wir haben erst ein paar Spiele gemacht. Für uns ist jedes Spiel wichtig, egal, wie die Tabelle gerade aussieht. Frankfurt braucht diese drei Punkte auch, für die Eintracht wird das gegen uns auch ein wichtiges Spiel. Aber: Wir sind stark, ich glaube, wir können Minimum einen Punkt mit nach Hause bringen und dadurch weit oben in der Tabelle bleiben.

Das Gespräch führte Jean-Julien Beer.

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