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Wahlkampf mit Post-Daten Das Geschäft mit den Mikrozellen

Die Deutsche Post hat Daten über Haushalte an Parteien im Wahlkampf verkauft. Und die haben damit ihre Strategie optimiert. Das ist legal - wie umstritten. Jetzt prüfen Datenschützer den Adresshandel.
Das Logo der Deutschen Post

Das Logo der Deutschen Post

Foto: Adam Berry/ Getty Images

Es geht um eine riesige Datenbank, Millionen von Privatadressen und um umstrittene Praktiken im Bundestagswahlkampf. Die Deutsche Post hat im vergangenen Jahr Daten über Haushalte an die CDU und FDP vermietet. Für manche klingt das nach einem gewaltigen Skandal. Allerdings: Solch ein Handel ist legal - und nicht einmal ungewöhnlich.

Die CDU hat auf Basis der Post-Daten ihren Haustürwahlkampf aufgebaut, die FDP Wahlwerbung an bestimmte Zielgruppen verschickt. Die "Bild am Sonntag " berichtete am Osterwochenende darüber. Die Informationen sind nicht völlig neu, doch nach dem jüngsten Skandal um ein gewaltiges Daten-Leck bei Facebook ist die Öffentlichkeit besonders sensibilisiert.

Damit die eigenen Daten bei der Post nicht zu Werbezwecken weitergegeben und verwendet werden, müsste man schriftlich widersprechen. Das machen nicht viele. So bleibt der Post ein riesiger Datensatz. Über die Tochterfirma "Deutsche Post Direkt GmbH" werden diese personenbezogenen Daten verarbeitet und - anonymisiert, so versichert es das Unternehmen - weitergegeben.

Die Daten, die die Post zur Verfügung stellt, beziehen sich auf sogenannte "Mikrozellen" und umfassen durchschnittlich 6,6 Haushalte. Die Post berechnet für diese einen statistischen Wahrscheinlichkeitswert. So lässt sich eine begründete Vermutung aufstellen. Zum Beispiel diese: Gemessen an den erhobenen Daten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Haushalt CDU-affin ist.

Praxis ist legal

Die Praxis ist nicht verboten. In einer Pressemitteilung der Post heißt es: "Die Aufsichtsbehörde hat sich das Geschäftsmodell der Deutschen Post Direkt vorstellen und erläutern lassen, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte." Die Aufsichtsbehörde ist in dem Fall die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW. Inzwischen ließ die Behörde allerdings mitteilen, dass sie den Adresshandel während des Wahlkampfs 2017 prüft.

CDU und FDP beteuern, dass die Daten nicht personenbezogen gewesen seien. Die CDU-Zentrale teilte mit, man habe für den Haustürwahlkampf eine statistische "CDU-Wahlwahrscheinlichkeit" für Straßenabschnitte geliefert bekommen und eine Massenpostsendung in Auftrag gegeben.

Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, schreibt auf Facebook gar, es sei "Unsinn", dass die FDP personenbezogene Daten für den Wahlkampf 2017 erworben habe.

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Das Geschäftsmodell ist nicht neu

Allerdings: Das Geschäft mit Daten ist nicht neu. Laut "Bild"-Zeitung bietet die Post ihre Daten schon seit 2005 zu Wahlkampfzwecken an. Und nicht nur sie. Auch Firmen wie Schober, AZ Direct oder Acxiom verdienen ihr Geld mit diesen Marketinganalysen und Adressverkauf. Durch das "Targeting", wie es im Werbefachjargon heißt, werden Werbekunden gezielt angesprochen.

Mathias Richel, der für die Onlinekampagne der SPD im Bundestagswahlkampf 2013 mitverantwortlich war und heute einer von drei Geschäftsführern bei der Werbeagentur "Jung von Matt/Spree" ist, erklärt das Modell in seinem Podcast . Damit wolle man vor allem bewirken, dass man mit dem besten Mitteleinsatz möglichst viele potenzielle Kunden erreiche. Außerdem wolle man Werbung genauer machen, so dass Postfächer nicht mit Werbung zugestopft würden, die die Leute nicht interessierten.

Zu dem Geschäftsmodell der Post sagt Richel dem SPIEGEL: "Ich halte das grundsätzlich für unproblematisch, wenn diese Daten anonymisiert sind. Was sie ja sind. Die Deutsche Post trifft in Wirklichkeit nur sehr genaue statistische Einschätzungen."

Laut Bundesmeldegesetz  kann eine Partei in Wahlkampfzeiten personenbezogene Daten anfordern. Kombiniere man diese mit Daten, die beispielsweise von der Post angeboten werden, habe man ein Datentool in der Hand, das wirkmächtiger sei als die Targeting-Angebote von beispielsweise Facebook, schreibt Richel auf Twitter.

Andere Parteien sehen das Geschäft mit den Daten kritischer. Anke Domscheit-Berg von der Linkspartei meint gar, die Dienstleistung der Post sei "untragbar". Eine Weitergabe dieser privaten Daten ohne ausdrückliche Zustimmung müsse verboten sein, wird sie in der "BamS" zitiert.

Die Grünen fordern politische Konsequenzen

In dieser Schärfe wiederholten andere Parteien die Kritik an der Praxis nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie selbst auch schon einmal Daten gekauft oder gemietet haben. Im September 2017 schrieb etwa "Zeit Online ", dass die CDU Daten von der Post erworben habe. Auch die SPD habe Daten dazugekauft, verrate aber nicht wo.

Ein Sprecher der SPD sagt dem SPIEGEL: "Wir haben die Geschäfte der Deutschen Post nicht zu bewerten. Der SPD-Parteivorstand hat keine Daten der Post gekauft, wie wir auch sonst keine Individualdaten erworben haben." Die SPD habe für den Bundestagswahlkampf eigene Potenzialanalysen auf Basis öffentlich zugänglicher Daten, eigener Erfahrungen und Umfragen durchgeführt.

Der Politische Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, forderte politische Konsequenzen: "Wir brauchen endlich zwischen den demokratischen Parteien eine Verständigung, wie wir vor allem in Wahlkämpfen mit den sozialen Medien, anonymisierter Werbung und Social Bots umgehen", sagt Kellner dem SPIEGEL. "Ich schlage dazu einen Runden Tisch der demokratischen Parteien vor, um sich über diese Herausforderungen zu verständigen."

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz schreibt in einer Stellungnahme, man sehe an dem Thema, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in Zeiten von Digitalisierung und Big Data für alle Bereiche neue Herausforderungen mit sich bringe. Es brauche eine starke und effektive Aufsicht und eine vollständige Transparenz des Verfahrens.

Die Aufregung zeigt einmal mehr: Der gesellschaftliche Dialog dazu hat gerade erst begonnen.

Mit Material von dpa und AFP